„Werte und Wirtschaftlichkeit – dieses Thema hätte ich vor zwanzig Jahren erwartet, aber doch nicht mehr jetzt!? Es gibt kaum ein Unternehmen, das das nicht längst erkannt hätte.“

Mit diesem noch während der Vorstellungsrunde spontan geäußerten Beitrag startete die 1. „Ottilianer Runde“, zu der das Benediktinische Beraternetzwerk St. Ottilien (BBSTO) im Rahmen seines „Benediktinischen Think Tanks“ geladen hatte. Dieses Netzwerk wurde von mir mit in´s Leben gerufen und ist mittlerweile eine stolze Unternehmergesellschaft.

Ziel war eine rege Diskussion, ein offener Austausch subjektiver Bilder und gemeinsame Reflexion zu diesen bewusst vage gehaltenen, auf den ersten Blick dialektisch anmutenden Begriffen.

Dazu hatten sich neben vier Mitgliedern des Kern-Netzwerks, alles ehemalige Schüler des St. Ottilianer-Gymnasiums, auch eine bunte Mischung aus hochrangingen Führungskräften in großen Beratungsgesellschaften, Geschäftsführer mittelständische Unternehmen, Freiberuflern in beratenden Funktionen, Investoren, einem ehemaligen Schuldirektor und nicht zuletzt dem Erzabt des Klosters eingefunden.

Dass es am Ende eine reine Männerrunde wurde, ist nicht etwa einer Selektion bei der Einladung möglicher Kandidat(inn)en geschuldet, (im Gegenteil), sondern war wohl vom Schicksal so vorherbestimmt.

Besonders nach der langen Coronaphase war uns die Freude, wieder mit echten Menschen an einem echten Tisch sitzen und so offen wie auch divers diskutieren zu können, in´s Gesicht geschrieben.

Von Anfang an ging es nicht darum, möglichst viele Anwesende von der eigenen Meinung zu überzeugen oder gar Andersartigkeit als Anderswertigkeit zu behandeln, sondern gerade die bestehende Meinungsvielfalt, die sich auch unmissverständlich schon recht bald zeigte, als Bereicherung für den eigenen Horizont zu erleben.

Schließlich ist es uns beim BBSTO ein großes Anliegen, die von uns propagierten Werte und Impulse, nicht nur in die Gesellschaft und die von uns beratenen Unternehmen hineinzutragen, sondern auch selbst zu leben. Denn die weise Regel Benedikts für das friedvolle Zusammenleben in Gemeinschaften hält auch nach mehr als 1.500 Jahren noch erstaunlich gute Impulse für die Herausforderungen und Führungsthemen moderner Organisationen bereit.

Es ging um Stärkung der Integration anstelle von Trennung, darum, viele Meinungen gelten zu lassen (Stichwort: „jeder hat Recht“) und aufbauend auf unterschiedlichen Einzelbildern zu neuen Perspektiven zu kommen, die mehr sind als die Summe der Einzelteile.

Kurz gesprochen: Der Diskurs war uns wichtiger als ein festes Ergebnis, das nach gerade mal zwei Stunden sowieso nicht mit Brief und Siegel erwartbar war.

Recht schnell bildeten sich daher energisch vorgetragene Gegenpositionen zum eingangs dieses Artikels geäußerten Statement, die verdeutlichten, dass Denken, Reden und Tun in vielen heutigen Unternehmen noch längst nicht das Gleiche sind.

Noch häufig stehen Status und Ego, das Erreichen der von oben durchgesteckten Kennzahlen und die Verfolgung individueller Ziele über dem Wohl der Gemeinschaft und damit dem langfristig erfolgreichen Fortbestand von Organisationen.

Dass dies ein kurzfristiger Denkfehler ist, beweist das Modell der Rationalitätenfalle, das wie folgt lautet: Selbst wenn oder gerade weil jedes Individuum aus seiner persönlichen Perspektive heraus höchst vernünftig handelt, führt dies nicht selten in den kollektiven Untergang.

(Beispiel: aufgrund individueller Abteilungsziele bestehendes Silo-Denken beeinträchtigt ein Unternehmens-übergreifendes Gesamtziel.)

Als weitere Gründe für das fehlende kollektive Bewusstsein und damit die Fähigkeit zu echter Kooperation in heutigen Unternehmen wurde erkannt, dass sich kaum noch ein klassischer Firmeninhaber mit viel Herzblut auch um das private Wohl der ihm anvertrauen Mitarbeiter kümmert (Fürsorgeprinzip), ihnen damit ein Gefühl der Sicherheit und somit eine Grundlage für kraftvolles, kreatives, innovatives und vor allem angstfreies Wirken bietet.

Sondern weitgehend beliebig austauschbare Geschäftsführer die aus ihrer Sicht kurzfristig beste Performance aus Unternehmen(steilen) herausquetschen, bestenfalls nur in eigenen Amtsperioden denken, dabei aber leicht vergessen, dass noch nicht einmal Maschinen permanent auf Volllast laufen können, bevor Zylinder bersten oder sich immer schnellerer Verschleiß einstellt.

Recht schnell herrschte daher Einigkeit, dass dauerhafter Erfolg sich nur einstellen kann, wenn die Bedürfnisse der Mitarbeiter adäquat befriedigt werden und damit das Gefühl der psychologischen Sicherheit auch echte Leistung ermöglicht. Wichtig wäre daher eine starke Identifikation mit dem Unternehmen, hinter der definitiv auch ein gemeinsames Ziel aller Mitarbeiter steht.

Nicht umsonst passt seit Jahren eine meiner Lieblingsantworten weitgehend universell auf die verschiedensten Fragen von Beratungskunden oder Trainingsteilnehmer: „Was würdest Du denn tun, wenn es Dein Unternehmen wäre?“ – In dieser Antwort steckt eigentlich alles, und das Schöne ist, die kann sich auch jeder in so gut wie jeder Situation selbst geben und damit zum Unternehmenserfolg beitragen. Im besten modernen agilen Sinne des Prinzips Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit.

Erzabt Wolfgang warf den interessanten Aspekt ein, dass er im Kloster mitnichten einfach „reinregieren“ kann, sondern kraft seiner Vorbildrolle und der Kompetenzzuschreibung gerade durch seine Mitbrüder (ein Abt wird gewählt) führen muss. Und dass er definitiv nicht alles besser/am besten weiß, sondern auf die individuellen Kompetenzen seiner Mitbrüder angewiesen ist, um letztendlich Entscheidungen überhaupt mit gutem Gewissen treffen zu können.

Diese nachhaltigen Entscheidungen sind aber bitter notwendig, da es heute um´s Überleben weit über Unternehmen hinaus geht. Jedes Unternehmen hat schließlich auch eine gesellschaftliche Verantwortung, wie wir gerade in Zeiten von Klimakrise, globalen Lieferketten, aber der Bedeutung ethisch-moralisch sauberer Partnerschaften rund um den Globus spüren.

Unser Fazit nach zwei viel zu schnell vergangenen Stunden:

Letztendlich geht es darum, die drei Faktoren

–      Planet

–      People

–      Profit

unter einen Hut zu bringen.

Und dies am besten, indem nicht erst Profit erzeugt wird, um dann für Planet und Menschen zu sorgen, sondern quasi über Bande zu spielen und mit Hilfe gesunder Menschen und einem gesunden Planeten auch weiterhin Wohlstand zu ermöglichen.

Wesentlicher Erfolgsfaktor ist das Vertrauen, dass jeder bei sich anfangen kann und muss, damit aber auch einen individuellen Schritt aus seiner Komfortzone und der Rationalitätenfalle heraus leisten muss, bis es nach und nach immer mehr Menschen lernen und die Skepsis verlieren, dass das Wohl des Kollektivs schlussendlich auch zwingend zum eigenen Wohl führt.

Dass neben dem inhaltlichen Ziel des Diskurses auch das Ziel „Vernetzung der Teilnehmer“, die ja aus völlig unterschiedlichen Branchen und Funktionen und damit unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten kamen, voll aufgegangen ist zeigte sich in der abschließenden Zufriedenheitsbefragung verbunden mit dem dringenden Wunsch aller Teilnehmer nach einem zweimonatigen Turnus in gleicher Runde, da das Potenzial dieser Erstzusammensetzung der Ottilianer Runde noch längst nicht ausgeschöpft ist.

Damit ist die Ottilianer Runde ein weiterer Aspekt, mit dem das Kloster St. Ottilien und das Benediktinische Beraternetzwerk gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.

Das Schlusswort gehörte aber Erzabt Wolfgang, der uns Ratschläge für die Haltung und das Handeln eines Abtes vortrug, die aus der Regel Benedikts aus dem 5. Jahrhundert stammen. Sie vermögen auch und gerade in modernen Organisationen für jede Führungskraft als Leitstern auf´s Trefflichste zu dienen. Bei Interesse daran stehe ich sehr gerne zur Verfügung.

Ein herzliches Dankeschön an Erzabt Wolfgang, @Markus Nonnast, @Bernhard Meiners, @Bernd Höreth, @Guido Grotz, @Klaus Rüth, Michael Häußinger, @Hubert Eisenack, @Karl Hamberger, und @Bernhard Schmalzl für´s gute Gelingen dieser Premiere!